Einheitliche Rassestandards für Anglo Nubier Ziegen

Vorschlag zur Bildung eines einheitlichen Rassestandards für Anglo Nubier Ziegen im Geltungsbereich des BDZ, mit besonderer Berücksichtigung der Kieferstellung

Vorgestellt von Prof. Dr. Kurt J Peters, Zuchtleiter SZVBB e.V.

1. Ausgangssituation

Die existierende Rassebeschreibung und Zuchtzielsetzung für Anglo Nubier Ziegen in den BDZ-Zuchtverbänden beinhaltet die wesentlichen Rassekennzeichen und Leistungsausrichtungen. Das Zuchtziel erläutert die Leistungsausrichtung und Exterieurbeschaffenheit. Eine Bewertung von Zuchtfehlern bzw. von rassetypischen funktionalen Erscheinungen, wie der Ausprägung des Unterkiefers, wird nicht erwähnt.

Herkunft und Verbreitung
Die Anglo – Nubier – Ziege ist aus der Kreuzung von englischen Landschlägen mit aus Afrika und Indien eingeführten Ziegenrassen entstanden. Sie ist überwiegend in Großbritannien verbreitet.

Beschreibung
Die Anglo – Nubier – Ziege ist eine großrahmige, langbeinige Ziege. Typisch für diese Rasse sind die langen, anliegenden, hängenden Ohren und die ausgeprägte Ramsnase. Die Tiere sind sowohl gehörnt als auch ungehörnt. Das Haar ist kurz, glatt und fein. Alle Farbkombinationen von braun, schwarz und weiß sind möglich.

Maße und Gewichte bei Ziegen Böcken

Widerristhöhe (cm) 80 – 100 ca. 110
Gewicht (kg) 70 – 80 ca. – 100

Leistungen

  • 240-Tage-Milchleistung ca. 700 – 800 kg,
  • 4 bis 5 % Fett, 3 bis 4 % Eiweiß.
    Bei entsprechender Haltung und Fütterung sind höhere Leistungen möglich.
  • Gute Fleischleistungseigenschaften,
  • Frühreife und gute Fruchtbarkeit, im Durchschnitt zwei Lämmer pro Jahr,
  • Eignung für die Landschaftspflege

Zuchtziel

Angestrebt wird eine großrahmige, fruchtbare, widerstandsfähige und langlebige Ziege im Zweinutzungstyp mit ausgeprägter Wirtschaftlichkeit auf Grund ihrer Milch- (sehr hohe Fett- und Eiweißprozente) und Fleischleistung sowie Eignung zur Landschaftspflege. Der Rücken sollte möglichst straff sein, mit breit angelegtem, nicht zu stark abfallendem Becken. Das Fundament soll trocken und nicht zu fein, die Beinstellung korrekt sein. Gefordert wird ein gleichmäßiges, geräumiges, drüsiges und fest angesetztes Euter, das weit nach vorn und im Schenkelbereich hinauf reicht. Die gleichermaßen für das Hand- und Maschinenmelken gut geeigneten, leicht melkenden Striche sollen mittig unter den Hälften angesetzt, senkrecht nach unten weisen, mittellang, gleichförmig und klar abgesetzt sein.
BDZ –

Bei allen Schaf- und Ziegenrassen wird gerade auch die Ausprägung des Unterkiefers streng auf Funktionalität überprüft und ein Unter- oder Überbiss immer mit einem Punkteabzug geahndet.
Die besondere Situation dieses Merkmals bei der Anglo Nubier Ziege steht im Zusammenhang mit den Ausgangsrassen. Ob ein genetischer Zusammenhang des häufig vorzufindenden Überbisses mit der Ausprägung der rassetypischen Ramsnase besteht, ist nicht geklärt. Deutlich ist aber festzustellen, dass das Auftreten eines Überbisses nur in geringem Maße eine phänotypische Beziehung mit der Nasenform erkennen lässt. So treten große Unterschiede in der Kieferform zwischen väterlichen Halbgeschwistern und selbst bei Wurfgeschwistern auf.

2. Bewertungsstandards anderer Zuchtorganisationen

In den Ursprungszuchtregionen Großbritannien, USA, Ozeanien aber auch in den Niederlanden und der Schweiz wird das Merkmal der Kieferform bzw. das Phänomen des Überbisses (undershot jaw) erwähnt und für die Bewertung geregelt.
Die Auszüge aus den Rassestandards der verschiedenen Zuchtorganisationen belegen eindeutig eine Tolerierung eines Überbisses mit einer klaren Grenze:

a. Anglo Nubien Breed Society UK, Breed Standards
The teeth should meet the hard pad of the upper jaw. But an undershot jaw would not be penalized provided the teeth were not visible

b. Anglo Nubien Breed Society NZ, Breed Standards
Mouth: The teeth should meet the hard pad of the upper jaw but a tendency of the jaw to being overshot would not be penalized provided the teeth were not permanently visible.
Faults: Wry face, grossly overshoot or undershot jaw, parrot mouth

c. Dairy Goat Society of Australia, Breed Standards of Anglo Nubian
HEAD (skull, eyes, ears, mouth, nostrils): Profile short and arched. Muzzle fine and tapered, nostrils flat, the teeth may extend beyond the dental pad. Ears long, broad and pendulous with little or no tendency to lift (as a guide, tips of ears should meet across nostrils). Eyes should be almond shaped and set wide apart.
Faults: Visible teeths

d. Wisconsin Anglo Nubian Breed Standards
Jaws strong with lips even slight cut if undershot

e.  California Anglo Nubian Breed Standard
If the jaw does not match up squarely, that is, if it is a bit undershot, this is a less serious fault than in the other breeds.

f. Nederlandse Organisatie voor deGeitenfokkerij, Anglo Nubier Rassestandards
Gebiss: Nicht erlaubt sind: Ein Über/Unterbiss, wenn bei geschlossenem Maul die Zähne sichtbar sind, schiefes Nasenbein, Schweine- oder Hechtschnauze.

g. SZZV CH- Rassedefinition
Farbe:              ein bis mehrfarbig
Nase:               convex (Ramsnase, Römernase)
Ohren:             Lang, schwingend, länger als die Nase
Unterkiefer:   vorgeschoben, wird nicht bemängelt solange die Zähne bedeckt sind

3. Umfassende Untersuchunge erforderlich

Da keinerlei quantitative bio-statistische Untersuchungen zum Merkmal Überbiss und Ramsnasenausprägung bei den Anglo Nubier im Schrifttum zu finden sind, sollte dringend im Geltungsbereich des BDZ eine phänomenologische und unter Umständen auch genetische Auswertung des Merkmals Kieferstellung/Ramsnasenform durchgeführt werden.
Erst nach Vorliegen profunder Erkenntnisse zur Variabilität des Merkmals in Abhängigkeit von systematisierbaren Faktoren, zu genetischen Parametern des Merkmals und den Beziehungen zur Ausprägung der Ramsnase können Strategien zur restriktiveren Bewertung des Merkmals entwickelt werden.

4. Entwicklung einer Position für das Geltungsgebiet des BDZ

Bis zum Vorliegen profunder Erkenntnisse zu den Zuchtparametern der Kieferform und Ramsnasenausprägung ist es erforderlich, für die Anglo Nubier eine gesonderte Bewertungslinie zu definiert, die sich an die Grundsätze der klassischen Zuchtgebiete anlehnt. Mit diesen Zuchtgebieten besteht ein züchterischer Austausch und in gewissem Masse auch ein Züchterwettbewerb.

Daher wird vorgeschlagen:

a. Der Überbiss bei den Anglo Nubiern wird erst dann mit einem Punktabzug (< 7) geahndet, wenn die Zähne sichtbar sind.

b. Die Ausprägung des noch zu tolerierenden Überbisses kann mit einer Punktbewertung zwischen 7 und 9 berücksichtigt finden.

Es sollte möglichst schnell eine einheitliche Bewertungslinie für die Beurteilung verabschiedet werden, da sonst Herdbuchzüchter ins benachbarte Ausland abwandern!

26. Juni 2013